Es gibt in Wien hunderte Kaffeehäuser, Konditoreien und Espressi. Aber es gibt nur eine AïDA. Das heißt, eigentlich existieren davon mehr als zwei Dutzend (derzeit 26), aber als Phänomen bleibt die Wiener Espressokette wohl einmalig. Architekten lieben die „puristische Phase“, die in ihrem Stil von Rudolf Vorderegger hauptsächlich in den fünfziger, sechziger und frühen siebziger Jahren geprägt wurde, Kaffeeliebhaber schwören auf die Hausmarke, die die „Melange“ erst ausmacht, und fast jeder hat einen (heimlichen) Favoriten im riesigen Angebot an Konditoreispezialitäten. Esterhazyschnitte oder Pariser Spitz?
Was macht die AïDA so besonders? Daß der Marillenfleck aus der Großkonditorei wie von Großmutter schmeckt? Daß man sich in jeder Filiale zu Hause fühlt, weil das Interieur über die Jahrzehnte hinweg aus wiedererkennbaren Elementen besteht? Oder ist es die Mischung aus Unverbindlichkeit und Tradition, die sich hier so unverwechselbar zu einer Institution fügt? Das Phänomen AïDA erklärt sich auch aus einer Wiener Eigenschaft, Kulturgebräuche „von draußen“ zu übernehmen und diese wie selbstverständlich zu „verwienern“. So muß einfach gesagt werden, daß die AïDA den pervertierten Espresso-Gedanken verkörpert und zeigt, wie die Idee des schnellen Stehkaffees in Wien problemlos in Wohnzimmerheimeligkeit umschlagen kann.
Wolfgang Thaler hat eine fotografische Bestandsaufnahme gemacht. Manche Aufnahmen haben bereits historischen Wert, weil einige der Filialen in der Zwischenzeit renoviert wurden. Daß wir der Espresso-Kette ein Buch widmen, konnte die Familie Prousek anfangs gar nicht glauben. Bloß keinen Mythos aufbauen, und schon gar keinen Kult konstruieren, das würde ja nicht zur schlichten Firmenphilosphie passen … Und so haben wir unsere Leidenschaft und die vieler unserer Freunde in dieses Buch einfließen lassen. Es versteht sich als Hommage an ein Stück Alltagsgeschichte, das in seiner punschkrapfenrosa und schokoladebraunen Ästhetik nun schon die dritte Generation fasziniert. Esterhazyschnitte oder Pariser Spitz?
Clarissa Stadler, 1995
Herausgeber: Clarissa Stadler, Wolfgang Thaler
Verlag Christian Brandstätter, 1995
71 Seiten, 65 Fotografien, Deutsch
Cover: Metallfolienprägung, handgestempelt
Gestaltung: Wolfgang Thaler
Texte von eichinger oder knechtl, Michael Freund, Bodo Hell, Wolfgang Kos, Lydia Lindner, Clarissa Stadler.
Beiträge von Andrea Neuwirth, Matthias Zykan und Elisabeth Cerwenka. mit zahlreichen s/w und Farb Abbildungen. Sprache Deutsch.